Klaus Geigle


Im Residenzatelier mit dem Maler Klaus Geigle im Kunsthaus Mitte in Oberhausen

von Christina Irrgang

Im Juni 2023 treffe ich den Maler Klaus Geigle (1969 geboren in Orsoy am Niederrhein) in seinem Atelierraum im Kunsthaus Mitte in Oberhausen, den er dort für einen Monat im Rahmen des Residenzstipendiums bezogen hat. An den Wänden des kleinen Raumes hängen jüngst in Oberhausen angefertigte Bleistiftskizzen, auch Malereien aus früheren Bildserien, auf dem Boden liegen ausgedruckte fotografische Abbildungen. Es ist ein ruhiger Moment des gemeinsamen Reflektierens über sein Arbeiten im Rahmen seines Aufenthalts im Kunsthaus, der sich für uns inmitten Geigles künstlerischem Alltag aufspannt: Gerade erst ging seine Einzelausstellung in der Düsseldorfer Galerie Peter Tedden mit einem Künstlergespräch zu Ende, es folgte der Ausstellungsabbau und außerdem lehrt Geigle seit einigen Jahren an der MSA Fachhochschule für Architektur in Münster – die Stadt, in der er lebt und sein Atelier betreibt, wenn er sich nicht gerade in Köln aufhält, wo ihm ein weiter Arbeitsraum zur Verfügung steht. Die Residenz im Kunsthaus Mitte in Oberhausen bietet dem Künstler eine besondere Gelegenheit, die Thematik der Landschaft, die er zumeist in seinen Bildern verhandelt, auf die Ruhrlandschaft auszuweiten. „Für mich war mit Beginn der Residenz klar, dass ich kein Porträt der Stadt anfertigen, sondern mich vom unmittelbaren Umfeld inspirieren lassen wollte. Denn die Ruhrlandschaft ist eine weitere Facette der Region in und um Oberhausen, die ich durch lange Fahrradtouren mit meinem Skizzenblock erkundet habe.“

Klaus und die Postkarte

Foto: Kunsthaus Mitte_Kerstin Bögeholz, Skizze: Klaus Geigle

Klaus Geigle hat an der Kunstakademie Münster Malerei studiert und ist seit 2003 als freischaffender Künstler tätig. In den frühen 2000er-Jahren war er Mitbegründer eines Off-Spaces in Berlin, doch für ihn war inmitten der hauptstädtischen Geschäftigkeit klar, dass er seinen künstlerischen Weg von Münster aus weiterverfolgen wollte. Er malt dort – zumeist in Serien – zwischen Klein-, Mittel- und Großformat: typisierte ausgestopfte als auch verwegene Tiere oder ausgreifende Gewächse und verlassene morbide Orte wie mit Agaven überwucherte Tennisplätze. Geigle verbindet Reales und Phantastisches in seinen Bildern, malt Eigentümliches und Unvorhersehbares in durch Menschenhand modifizierten Landschaften – hin und wieder mit humorvollem (Unter-)Titel. Sein Weg führte ihn durch Residenzen oder Reisen oft nach Spanien, wo er sich zuletzt mit dem Motiv der Serpentine befasste und Vulkanasche zu Pigment verarbeitete. Die Auseinandersetzung mit der Region des Ruhrgebiets, die sich nun im Rahmen des Residenzstipendiums in Oberhausen anbot, hat ihn gereizt – etwa, wie sich Konstruktionen der Industriearchitektur in die Landschaft eingeschrieben haben und auch, wie Blicke durch diese urbanen Strukturen geführt werden.

„Ich zeichne viel vor Ort, allerdings benötigt das Zeichnen Zeit. Deshalb fotografiere ich auf meinen Routen, um später im Atelier auf diese Momente zurückgreifen zu können. In der Zeichnung finde ich zunächst eine Bildform, bevor diese dann auf die Leinwand in eine Malerei überführt wird.“

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Foto: Kunsthaus Mitte_Kerstin Bögeholz

Die Fotografien, die Klaus Geigle anfertigt, weisen eine eigenständige ästhetische Qualität auf: Sie zeigen etwa, wie sich Licht und Schatten auf architektonischen Oberflächen als helle und dunkle Felder verteilen und dadurch bildplastischen Raum entstehen lassen. Das Fragment eines Brückenpfeilers teilt sich so in geometrische Flächen auf, wirft in einem städtischen Umfeld den Stand der Sonne als transluzide Fläche auf den Asphalt, der drei Tauben trägt. Eine andere Fotografie zeigt, wie die Trasse einer Hochstraße eine kurvenartige Schneise in das durch Mittagslicht erleuchtete Gras zieht, es durchschneidet. „Diese Fotografien würde ich so nicht zeigen, aber sie führen mich in die Räume, die ich durch meine Malereien zum Gegenstand bringe.“

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Foto: Kunsthaus Mitte_Kerstin Bögeholz

Die Zeit der Residenz in Oberhausen ist begrenzt. Und so fährt Klaus Geigle ausgestattet mit der Kamera und seinem Zeichenmaterial mit dem Fahrrad um den Block, zweimal links, zweimal rechts, auch weiter raus aus der Stadt, um zu schauen was passiert, welche Situationen ihm begegnen. Primär entstehen hierbei Skizzen. Die führt Geigle unmittelbar im Geschehen aus: auf dem Sattel des Fahrrads sitzend, auf dem Lenker in der Zeichenmappe mit dem Bleistift in situ zeichnend – oder auf einer erhöhten Mauer mit Blick auf eine gegenüberliegende Halde. Diese Zufallsmomente greift er auf, entwickelt sie weiter. Es sind in Oberhausen aufgelesene Blicke, die Klaus Geigle nach der Residenz in seinem Atelier in Münster sichtet, auswählt, in Öl auf Leinwand überträgt. Aus einem Aufflackern verschiedenster Erlebnisse zwischen Baukränen, klassizistischen Häusern oder Naturschutzgebieten vor dem Grundrauschen der A40, entsteht beispielsweise eine Auenlandschaft unterhalb einer Stahlkonstruktion, die Geigle pastos mit dem Spachtel aufgetragen hat. In einer anderen Malerei rahmt der Bogen einer Betonbrücke ein Element einer zweiten Brücke über einer Straßenführung; nur ein schmaler Streifen des Himmels ist in dieser Landschaft bei Oberhausen vorhanden. Doch auch das sich über einer Hochtrasse ablegende Abendrot findet Einzug in Geigles Malerei, der immer wieder in Ausführung und Gegenstand etwas Wildes und Obskures innewohnt. Ähnlich, wie sich der Klang der Autobahn je nach Windstand durch einen aufheulenden Lastkraftwagen in die noch vorhandene visuelle Idylle einschneidet, setzt der Maler im Übertrag krude Farbverläufe oder Pinselstriche in seinen Kompositionen. Ein solcher Textursprung, wie ihn Klaus Geigle bezeichnet, ist kennzeichnend für seine Bilder.

Über den Sommer hinweg, im Anschluss an seine Residenz im Kunsthaus, hat Klaus Geigle so eine ganze Serie an Bildern gemalt, die Oberhausen einkreisen, es umschließen. Es ist, als würde man hinten auf dem Gepäckträger seines Fahrrads sitzen, und ihm – durch ein modelliertes Fernglas blickend – auf seinen Streifzügen rund um die Stadt Gesellschaft leisten.

©Kunsthaus Mitte 2022